Warum analoge Computer ein Comeback erleben Unser Zeitalter ist digital. In fast jeder Alltagselektronik stecken Mikrochips, die mit Bits und Bytes rechnen. Auch die künstlichen Intelligenzen (KI), die eine immer größere Rolle spielen, basieren auf digitalen Computern. Doch in Zukunft könnte sich das ändern. Denn ausgerechnet bei der KI, bei Quantencomputern und in anderen, hochmodernen Systemen könnten die längst totgeglaubten analogen Computer die digitalen Technologien ablösen. Warum das so ist und welche Vorteile analoge Computer bieten, erklären wir in diesem Beitrag.
Wieso sind digitale Computer nicht immer die beste Lösung? Rechensysteme mit Bits und Bytes sind allgegenwärtig. Sie sind nicht nur in Handys, PCs und Supercomputern enthalten, sondern steuern auch Fahrzeuge, Ampeln, technische Anlagen und verschiedenste Elektrogeräte. Auch für KI bilden sie die Basis. Allerdings kommen digitale Computer langsam an ihre Grenzen. Außerdem sind sie nicht für alle Aufgaben optimal geeignet. So wird die Schnelligkeit immer dann zum Problem, wenn eine komplexe Aufgabe mit vielen Variablen gelöst werden muss. Denn ein digitaler Rechner braucht einen Algorithmus, der die Arbeit in einzelne Schritte aufteilt. Ein digitaler Computer zerhackt also gewissermaßen ein kontinuierliches, zusammenhängendes Problem in lauter kleine Stücke. Je komplexer eine Aufgabe ist, desto mehr dieser Einzelschritte sind notwendig. Doch damit steigt gleichzeitig auch der Rechenaufwand. Ein anderer Aspekt ist, dass der Computer die Informationen ständig zwischen dem Speicher und dem Prozessor hin- und herbewegen muss, weil der zentrale Algorithmus alle Rechenprozesse steuert. Das kostet ebenfalls Zeit und Energie. Der Stromverbrauch von modernen Hochleistungsrechnern ist deshalb entsprechend hoch. Jüngsten Schätzungen zufolge werden täglich rund 564 Megawattstunden Strom benötigt, nur um das KI-System ChatGPT zu betreiben und die Nutzeranfragen zu beantworten. Wie funktionieren analoge Rechner? Auf der Suche nach energiesparenden Alternativen oder zumindest Ergänzungen zum digitalen Rechnen erlebt mit Analogrechnern eine Technologie ein Comeback, die schon lange totgesagt war. Bereits vor Jahrhunderten halfen analoge Rechnern dabei, die Bewegungen der Gestirne oder den Wechsel zwischen Ebbe und Flut auszurechnen. Sogar an Bord der Apollo-Missionen zum Mond waren noch analoge Computerbestandteile im Einsatz. Anders als digitale Computer werden analoge Rechner weder von einem Algorithmus gesteuert, noch rechnen sie mit Nullen und Einsen. Stattdessen bildet die mechanische oder elektrische Verschaltung ihrer Komponenten die Gesetzmäßigkeiten und Einflussfaktoren ab, die berechnet werden sollen. In den alten Gezeiten-Rechnern zum Beispiel spiegeln Zahnräder und deren Kettenverbindungen wider, wie sich die Einflüsse von Mond, Sonne, Erddrehung und Küstenform verstärken oder aufheben. In elektrischen Analogrechnern sind die Verkabelungen dafür zuständig. Der große Vorteil liegt darin, dass ein analoger Computer wenig Zeit und Energie braucht, wenn er einmal an seine Aufgabe angepasst ist. Nachteilig ist aber, dass er nicht universell eingesetzt werden kann. Um einen Analogrechner für eine neue Aufgabe einzurichten, müssen mitunter erst unzählige Leitungen umgesteckt werden. Analoge Technik für KI Trotz der Nachteile rücken analoge Computer wieder in den Fokus und die Branchenriesen arbeiten erneut an analoger Rechnertechnik. Ein wesentlicher Grund dafür ist die künstliche Intelligenz. Wie ein analoger Rechner basieren nämlich auch die neuronalen Netzwerke der KI-Systeme auf dem vernetzten Zusammenwirken von vielen dezentralen Recheneinheiten. Sie setzen sich aus vielen einzelnen Rechenelementen zusammen, die clever miteinander vernetzt sind. Doch eine zentrale Verarbeitungseinheit gibt es nicht. KI lernt, indem sie bestimmte Pfade innerhalb dieses Netzwerks stärker gewichtet als andere Pfade. Solche Werte, die sich stetig verändern, müssen zunächst in Abfolgen aus Nullen und Einsen übersetzt werden, damit sie sich für das digitale Rechnen eignen. Ein analoger Computer hingegen kann solche Gewichtungen zum Beispiel im Stromfluss direkt abbilden. Als weiterer Pluspunkt aus Sicht der KI-Branche kommt dazu, dass analoge Computer deutlich weniger Strom brauchen, weil der dauernde Datentransfer zwischen dem Prozessor und dem Speicher wegfällt. Analoge Chips und Lichtrechner KI-Unternehmen tüfteln an analogen Chips, die neurale Netzwerke in Zukunft sparsamer und schneller machen sollen. Einen ersten Baustein für analoge KI-Systeme hat „IBM Research“ im August 2023 präsentiert. Dabei handelt es sich um einen analogen Chip auf elektrochemischer Basis, der die Gewichtungen der neuronalen Netzwerkpfade kodieren kann, ohne dass er dafür auch nur ein Bit an Daten bewegen muss. Erste Tests ergaben, dass zwei KI-Sprachmodelle, die auf diesen Analogchips betrieben wurden, tatsächlich energieeffizienter und schneller liefen als auf gängigen Digitalchips. Ein Projekt der „Microsoft Research Lab“ in Cambridge geht noch einen Schritt weiter. Die „Analog Iterative Machine (AIM)“ rechnet nicht mit Elektronen, sondern mit Licht. Je nach gestellter Aufgabe verändern, teilen und kombinieren spezielle photonische Kristalle und Linsen die Lichtstrahlen. Diese parallele, analoge Rechnung führt im Ergebnis zu einem Lichtstrahl, der durch seine Merkmale und Intensität die Lösungswerte der Aufgabe kodiert. Diese werden anschließend in elektronische Signale umgewandelt und digital weiterverarbeitet. Die AIM als optischer Rechner soll in der Lage sein, Optimierungsprobleme mit Lichtgeschwindigkeit zu lösen. An solchen Aufgaben scheitern gängige Silizium-Technologien und sogar Quantencomputer. Derzeit wird die AIM beim Lösen von Optimierungsproblemen bei finanziellen Transaktionen getestet. Erste Tests bestätigten, dass die Zeitdauer erfolgreich verkürzt werden konnte. Analoge Computer in Kombination mit Quantencomputern Ein weiteres Gebiet, für das derzeit intensiv an analogen Rechnern geforscht wird, sind Quantencomputer. Wie Quantencomputer gehören auch Analogrechner in den Bereich des Unconventional Computings. Analogrechner ähneln Quantencomputern in der Hinsicht, dass ein physikalisches System das Modell für eine Problemlösung bildet und die Variablen durch Messen ausgelesen werden. Deshalb wird es vermutlich einfacher, Quantencomputer direkt mit Analogrechnern zu koppeln als mit klassischen, speicherprogrammierten digitalen Rechnern. Erste Tests laufen auch hier.
Das Comeback der analogen Computer steht noch am Anfang. Doch Experten sind sich sicher, dass die analoge Technologie digitale Chips in bestimmten Bereichen ergänzen oder sogar ersetzen kann. Das betrifft vor allem die Bereiche, in denen Computer komplexe Aufgaben lösen, allen voran in der KI, bei Optimierungsproblemen und im Zusammenspiel mit dem Quantencomputer. Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen: |